Redaktionelle Anmerkung: Mit diesem Interview für die in Berlin erscheinende Tageszeitung „Junge Welt“, das in der morgigen Printausgabe vom 18.07.11 erscheint, reagiert die Leiterin des Bereichs Betriebsrätequalifizierung, Christine Zumbeck, auf ein Interview mit Olaf Harms, das dieser, für den Förderkreis, der „Jungen Welt“ bereits vor einigen Tagen gewährte. Obwohl Christine nicht zu den Unterzeichnerinnen unseres Aufrufs gehört, dokumentieren wir ihr Interview deshalb hier.
»Keine politische, sondern strategische Entscheidung«
DGB-Bildungszentrum in Hamburg-Sasel wehrt sich gegen Vorwürfe im Zusammenhang mit bevorstehender Schließung. Gespräch mit Christine Zumbeck
Christine Zumbeck ist Leiterin der Betriebsrätequalifizierung im DGB-Bildungswerk
Der Gewerkschafter Olaf Harms vom Förderkreis-Sasel hat sich vergangene Woche im jW-Interview zur Schließung des DGB-Bildungszentrums in Hamburg-Sasel geäußert. Er behauptet, daß »alle Argumente erstunken und erlogen« seien, die Sasel die Wirtschaftlichkeit absprechen. Sie haben heftig dagegen protestiert. Warum?
Es hat sich um keine politische Entscheidung gehandelt, sondern um eine strategische und wirtschaftliche.
Was heißt »strategisch«?
Wir hätten den Mietvertrag in Sasel nur um zehn Jahre verlängern können und die Anlage mit Millionenbeträgen ausbauen müssen. Strategisch ist es günstiger, sich aus Sasel zurückzuziehen und die Schulungen im Hamburger Gewerkschaftshaus fortzuführen.
Zehn Jahre Pacht dürften doch Planungssicherheit bieten. Und die Beschäftigten in Sasel haben Reparaturen über Jahre angemahnt.
Ob es Versäumnisse gab oder nicht: Fakt ist, daß wir in jedem Fall für viel Geld renovieren müßten, wenn wir in Sasel blieben. Und dieses Geld hatten und haben wir nicht.
Und wenn Sie die Restaurierungskosten auf zehn Jahre Pachtzeit umlegen?
Um die Mehrkosten wieder hereinzuholen, hätten wir deutlich mehr Seminarteilnehmer gewinnen müssen als bisher. Das ist aber nicht möglich die Teilnehmerzahlen schwanken im Vierjahresrhythmus der Betriebsratswahlen ohnehin schon. In der Tendenz sinken sie sogar. Deshalb mußten wir handeln.
Der Förderkreis-Sasel war besonders verärgert, weil die Behauptung im Raum stand, die Pacht würde erhöht. Die Betriebsratsvorsitzende im Bildungszentrum hat aber angegeben, daß der Eigentümer das in einem persönlichen Gespräch dementiert habe. Daher kommt der Vorwurf, die Geschäftsführung des DGB-Bildungswerks habe gelogen.
Die Renovierungskosten alleine sind schon zu teuer. Das DGB-eigene Gewerkschaftshaus ist billiger.
Angeblich haben sich Mitarbeiter des Bildungswerks durch die Äußerungen von Herrn Harms respektlos behandelt gefühlt. Aus dem Interview geht das so nicht hervor. Was haben Sie denn gemeint?
Ich habe einen Angriff darauf gesehen, daß wir seit über einem Jahr eine vernünftige Lösung suchen, um aus der Situation in Sasel herauszukommen. Daran sind die Mitarbeiter meines Geschäftsbereichs aktiv beteiligt, auch die Bildungsreferenten arbeiten engagiert mit. Diese Lösung als »kalte Hotelatmosphäre« zu bezeichnen und nicht ernst zu nehmen, verletzt diese Menschen.
Tatsache ist aber, daß sich das hauswirtschaftliche und Küchenpersonal strikt gegen die Schließung des Bildungszentrums gestellt hat.
Für das Hauspersonal muß endlich ein tragfähiges Resultat gefunden werden. Daran ist mir auch persönlich viel gelegen. Tatsache ist, daß trotz Angebots des Arbeitgebers bisher keine Sozialplanverhandlungen aufgenommen wurden. Die Beschäftigten brauchen Planungssicherheit und Möglichkeiten, hinterher einen neuen Job zu finden.
Der Betriebsrat hatte erfolglos versucht, durch einen Interessenausgleich die Schließung zu verhindern. Erst als die Geschäftsführung eine Einigung verweigert hat, ist der Betriebsrat dazu übergegangen, einen Sozialplan vorzubereiten. Neue Jobs zu finden wird für das Haus- und Küchenpersonal schwierig: Viele sind schwerbehindert.
Das ist sicherlich ein richtiges Argument, deshalb wollten wir uns ja so früh wie möglich darum kümmern. Aber auch die Einzelgewerkschaften kämpfen mit sinkenden Besucherzahlen für ihre Schulungen. Wir verlieren viele Seminare an private Konkurrenten. Die sind oft größer als gewerkschaftliche Bildungswerke. Deshalb müssen wir beobachten, was die anders machen, damit wir Teilnehmer zurückgewinnen können.
Viele Teilnehmer und Referenten, die sich gegen die Schließung von Sasel aussprechen, führen als Grund die relative Abgeschiedenheit und die private Atmosphäre unter Gewerkschaftern an. Deshalb sind sie auch nicht damit einverstanden, ins Gewerkschaftshaus hinter dem Hauptbahnhof umzuziehen.
Wir können dort eine Gesamtfläche von fast 1000 Quadratmetern nutzen. Dort soll es Kommunikationspunkte sowie abends gemeinsames Catering und Programm geben.
Und wo sollen die Teilnehmer die Nacht verbringen?
In einem rund 400 Meter entfernten Hotel.
Interview: Mirko Knoche
2 Kommentare
Es ist aus meiner Sicht positiv, dass sich die Kollegin Christine Zumbeck nun an der Debatte um die Zukunft unserer Bildungsstätten mit eigenen Beiträgen im öffentlichen Raum beteiligt. Viele hätten sich so etwas viel früher gewünscht, also den Austausch von Argumenten, abseits kleiner Zirkel im offenen Raum aller Beschäftigten.
Allerdings: Christine beantwortet Kernfragen mit diesem Interview (noch) nicht. Darunter zum Beispiel folgende Fragen:
Warum wurde lange Zeit behauptet, dass das eigentliche Problem für Sasel beim Verpächter liege, der angeblich den Pachtvertrag nicht verlängern wollte? Das war doch ganz offenbar nicht richtig.
Warum wurde der gegebene Pachtvertrag für Sasel nicht ausgeschöpft, der mindestens ein Jahr länger reicht. So muss jetzt noch eine zusätzliche Vertragsstrafe gezahlt werden. Rechnet man diese Summe der Mietsumme am Besenbinderhof hinzu, kommt somit keine Einsparung, sondern eine Mehrbelastung heraus. Die Sache wird also teurer.
Im Bildungswerk wurden über lange Zeit Rückstellungen vorgenommen, finanziert aus den Einnahmen für die Seminare. Diese Rückstellungen waren unter anderem dafür vorgesehen Renovierungs- und Instandsetzungskosten zu finanzieren. Wo ist dieses Geld?
Warum wird den bisher Beschäftigten in Küche, Hauswirtschaft und Verwaltung ein Sozialplan vorgelegt, der in seinen Summen weit unter dem liegt, was in vergleichbaren Betrieben gezahlt wird von dem was in Sasel gelehrt wird, mal ganz zu schweigen.
Warum wird eine zehnjährige Pachtzeit als unzulänglich empfunden? Das waren auch bisher die Vertragskonditionen, jeweils verbunden mit der Option einer Verlängerung. Mal abgesehen davon, dass beim Verkauf der Immobilie vor einigen Jahren, die Gewerkschaften das Vorkaufsrecht hatten, davon aber keinen Gebrauch machten. Erst dadurch wechselte die Immobilie in den Besitz der Familie Schnabel.
Der größte Teil der Mitarbeiter der Tagungsstätte, darunter z.B. die große Zahl der freiberuflich tätigen Mitarbeiter, ist bislang an den Diskussionen um den Besenbinderhof nicht beteiligt. Wie soll dort der Seminarbetrieb weiter laufen? Welche Veränderungen gibt es in konzeptioneller Hinsicht? Welche inhaltlichen Veränderungen? Welche Veränderungen in den Rollen der Referentinnen und Teamer? Es ist doch klar, dass viele der bisherigen Seminarkonzeptionen im Besenbinderhof in ihrer bisherigen Form nicht fortgeführt werden können. Warum findet eine solche Debatte nicht statt? Warum hat sie nicht längst stattgefunden? Wann beginnt sie?
Viele Beteiligte halten den Besenbinderhof, das bisherige ver.di-Center, für mehrwöchige Seminare für nicht geeignet. Das hat mit der Struktur der Räume zu tun, mit der Beleuchtung, mit der räumlichen Lage etc. Was ist dort an Veränderungen vorgesehen? Wann beginnt diese Debatte in einer für alle Beschäftigten transparenten und auf Beteiligung orientierten Art und Weise?
Im Zuge der Auseinandersetzung um unserer Häuser wurden leider auch repressive Maßnahmen umgesetzt. Einige Referentinnen und Referenten wurde nahe gelegt sich andere Auftraggeber zu suchen, andere wurden gefeuert. Wann werden diese Maßnahmen korrigiert?
Unter vielen Mitarbeitern, aber auch bei vielen Betriebsräten, gibt es eine Diskussion, ob unter den gegebenen Umständen das DGB Bildungswerk noch die richtige Adresse für Fortbildungsseminare ist. Etliche BR-Gremien beschlossen bereits im Bildungswerk für 2012 keine Buchungen mehr vorzunehmen. Andere wollen es ausprobieren, haben aber eine negative Einschätzung. Etliche Mitarbeiter fragen sich, ob sie das Bildungswerk noch als Auftraggeber für Honoraraufträge akzeptieren können, ohne dabei das eigene Gesicht (auch gegenüber den Teilnehmenden, auch gegenüber den bisher Beschäftigten) zu verlieren. Was will die Leitung unternehmen, damit Vertrauen wieder einkehrt?
Ich glaube es aus tiefer Überzeugung: Wirtschaftlich lässt sich die Schließung unserer Tagungsstätten in Hamburg Sasel und in Niederpöcking nicht wirklich begründen. Dahinter standen politische Gründe. In der letzten Runde der Verhandlungen um einen Interessenausgleich wurden die dann ja auch offen benannt, denn sonst hätte sich eine weitere Verhandlungsrunde vermutlich noch angeschlossen und Kündigungsfristen wären so dann nicht einzuhalten gewesen. Auch Christine gibt die tatsächlichen Gründe in ihrem Interview ansatzweise zu, in dem sie Auslastungsprobleme auch in den Schulungsstätten der Einzelgewerkschaften anspricht. Eine offene, transparente und vernünftige Debatte, die ja auch Kooperationsmöglichkeiten vielleicht mit eingeschlossen hätte, hat es dazu leider nicht gegeben. Andererseits: die Entscheidungen sind nun getroffen. Setzt sich in der Umsetzung der bisherige Kurs und die bisherige Form der Debatten aber fort, dann ist auch der Besenbinderhof nur eine Zwischenlösung, der dann das endgültige Aus noch folgt. Nur wenn jetzt ganz ehrlich und ganz offen Zukunftsoptionen diskutiert werden, nur wenn ein vernünftiger Sozialplan für bisher Beschäftigte noch herauskommt (auch das gehört zwingend dazu), kann der Seminarbetrieb unter dem Label des DGB noch eine mittelfristige oder auch längere Perspektive aufweisen. Der entscheidende Anstoß für eine solche Diskussion muss dann aber von der Leitungsebene ausgehen.
Claudius Anonymus
Soweit mir bekannt ist hat sich der Eigentümer bereit erklärt sich an den Renovierungskosten zu betreiligen. Da kann es dann mit den Kosten für den DGB nicht so schlimm sein.
Das die Bildungshäuser der Einzelgewerkschaften nicht ausgelastet sind liegt wahrscheinlich an der mangelhaften Qualität der einzelnen Schulungen.
Sollte das der Hintergedanke sein, dass wenn die DGB Bildungsanstalten nicht mehr existieren, die Betriebsratsgremien ihre Leute in diese Häuser schicken dürfte sich als Rohrkrepierer erweisen.
Wie werden das nicht tun, schon gar nicht nachdem wir festgestellt haben, dass um z. B. die Schulung AR1 in Hamburg bei einer Einzelgewerkschaft auszugleichen der Kollege bis zu 6 x auf Seminar geht und immer noch nicht das Grundwissen hat, dass er aus AR 1 ziehen kann.
Das das Zukünftige Haus auf St.Georg ist mag ja manchen Betriebsrat dazu verleiten Hamburg zu buchen, wohnt er doch dort fast auf dem Kiez. Es wird sich eine Art von Seminartourismus entwickelnt der weder dem DGB noch den Einzelgewerkschaften gefallen wird.
Fakt ist, der DGB macht das beste Bildungsangebot in diesem Bereich platt. Und um diese zu rechtfertigen ist keine Lüge zu schade.
Wenn den DGB die Interessen der Betriebsräte nicht interessieren, schlage ich vor das man an eine Auflösung des Gewerkschaftsbundes nachdenken sollte. Das spart auch Geld.