»Alle Argumente waren erstunken und erlogen«
DGB schließt Bildungszentren. Darunter leidet die Qualifizierung von Betriebsräten. Ein
Gespräch mit Olaf Harms von Mirko Knoche
Olaf Harms ist Vorstandsmitglied des ver.di-Landesbezirks Hamburg und engagiert im »Förderkreis Sasel«
Der Geschäftsführer des DGB-Bildungswerks hat Referenten des Tagungszentrums Hamburg-Sasel am Donnerstag Hausverbot für eine geplante Beratung erteilt. Die Bildungsstätte Sasel wird im Herbst geschlossen, weil ein Interessenausgleich mit dem Gesamtbetriebsrat Ende Juni gescheitert ist. Warum ist das DGB-Bildungswerk bei seiner harten Haltung geblieben?
Der Vorsitzende der Einigungsstelle, Waldemar Reinfelder, hat genug ökonomischen Spielraum gesehen, um Hamburg-Sasel mindestens bis Ende 2012 weiter zu betreiben. Die Geschäftsführung des Bildungswerks hielt daraufhin Rücksprache mit der stellvertretenden DGB-Vorsitzenden Ingrid Sehrbrock. Die verweigerte ihre Zustimmung.
Dabei werden zwei Dinge deutlich: Erstens handelt es sich bei der Schließung von Sasel um eine rein politische Entscheidung. Und zweitens waren alle bisherigen Argumente, daß Sasel wirtschaftlich nicht tragbar sei, erstunken und erlogen. Dafür müßten Geschäftsführer Dieter Eich eine Abmahnung erhalten und DGB-Vize Sehrbrock eine Rüge. Denn das Vorgehen von DGB-Vorstand und Bildungswerkleitung widerspricht Beschlüssen des letzten DGB Bundeskongresses. Der hatte Bildungsarbeit in die Satzung aufgenommen. Das Ende von Sasel und einem weiteren Bildungszentrum im oberbayrischen Starnberg bedeutet, daß die Betriebsrätequalifizierung erheblich zurückgefahren wird. Nur noch in Hattingen bei Düsseldorf wird es eine eigene Tagungsstätte des DGB geben.
Welche Auswirkungen hat die Schließung noch?
Zuerst ist das hauswirtschaftliche und Küchenpersonal betroffen. In Sasel und Starnberg verlieren 56 Kolleginnen und Kollegen ihren Job. Viele sind schwerbehindert und werden auf dem Arbeitsmarkt keine Stelle mehr finden. Die Kultur von Gewerkschaftshäusern weicht künftig der kalten Atmosphäre anonymer Hotels.
Was hat den DGB-Bundesvorstand bewogen, einen Großteil der Bildungsarbeit einzustampfen?
Betriebsrätequalifizierung nutzt doch den Gewerkschaften.
Ich kann nur vermuten, welches Motiv dahintersteht. Fakt ist zumindest, daß die Einzelgewerkschaften nur noch prozentuale Abgaben an den Gewerkschaftsbund abführen. Was ausfällt, sind Sonderinvestitionen, die früher per Umlage erhoben wurden. Der DGB muß also intern bewertet haben, welche Vorhaben tragfähig sind. Dazu gehört Bildung offenkundig nicht. Weil es keine Transparenz gibt, ist es schwierig, den Entscheidungsweg nachzuvollziehen. Billiger werden Seminare jedenfalls nicht, wenn sie nur noch in Hotels stattfinden.
Der DGB hat schon vor Jahren sein theoretisches Organ, die Gewerkschaftlichen Monatshefte, eingestellt. Und die Einzelgewerkschaften schließen reihenweise ihre eigenen Bildungsstätten. Warum verschwindet die Bildung von der Prioritätenliste? Ist der Mitgliederschwund dafür verantwortlich?
Natürlich beeinträchtigen rückläufige Beitragseinnahmen die Bildungsarbeit. Es gibt aber auch andere Gründe. Durch die Fusion mehrerer Einzelgewerkschaften zur Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) gab es auf einen Schlag vielfach zwei Bildungseinrichtungen in unmittelbarer Nachbarschaft. Außerdem mangelt es an
attraktiver Werbung für gewerkschaftliche Seminare. Beim Marketing können uns die freien Anbieter da leider viel vormachen.
Die Bildungsangebote wurden nicht nur reduziert, sie haben sich auch verändert. So werden etwa Grundkurse in politischer Ökonomie kaum noch angeboten, dafür treten formale Seminare in den Vordergrund, wie beispielsweise Öffentlichkeitsarbeit. Macht sich das in der Praxis der Gewerkschaftsbewegung bemerkbar?
Unabhängig davon, ob die Einzelgewerkschaften oder der DGB Schulungen organisieren, ist eines klar: Wenn man Gewerkschafter und Belegschaftsvertreter mit eigenen Grundlagenschulungen aufklärt und sie befähigt, sich wirksam einzusetzen, dann können wir eine interessengeleitete Politik in den Betrieben bewirken. So gewinnen die Gewerkschaften Rückhalt, etwa in der Frage, wie man mit Leiharbeit umgeht. Denn es geht nicht nur um juristische, sondern auch um politische Inhalte. Insofern ist gewerkschaftliche Bildungsarbeit unabdingbar.
Redaktionelle Anmerkung: Dieses Interview mit dem Hamburger Gewerkschafter Olaf Harms erschien in der Printausgabe der Jungen Welt vom 13.07.2011 auf Seite 2.