»Irgendwann muß der DGB ein Machtwort sprechen«
Gewerkschafter protestieren gegen Schließung von zwei Bildungsstätten. Ein Gespräch mit Hans Mielke
Hans Mielke ist Sprecher des Förderkreises Sasel
Das DGB-Bildungswerk will zwei seiner drei Bildungsstätten schließen. Betroffen sind die Standorte in Hamburg-Sasel und im oberbayerischen Starnberg-Niederpöcking. Womit begründet die Geschäftsführung die Schließung?
Angeblich sollten die Pachtzinsen erhöht und umfangreiche Renovierungsarbeiten vorgenommen werden. Die Geschäftsleitung argumentierte, daß sie kein Geld in Objekte stecken wolle, die dem Bildungswerk nicht gehören.
Fakt ist aber, daß die Pacht in Niederpöcking gar nicht erhöht wird. Die IG Metall ist Eigentümerin, ihr Vorstand will auch die Renovierungskosten bezahlen. Auch in Sasel wird keine höhere Pacht verlangt, die Betriebsratsvorsitzende hat eine entsprechende Zusage des Eigentümers erhalten. Die offizielle Begründung für das Ende der beiden Bildungsstätten basiert also auf Unwahrheiten.
Was vermuten Sie als tatsächlichen Grund?
Das wüßte ich selbst gern. Sasel beispielsweise platzt aus allen Nähten. Dort laufen mehrere Seminare parallel. Das Haus ist voll bis unter das Dach.
Wie soll die gewerkschaftliche Bildungsarbeit denn in Zukunft aussehen?
Auf einer Informationsveranstaltung in Hamburg-Sasel hieß es, die Betriebsrätequalifizierung werde in vollen Umfang beibehalten. Die Schulungen sollen in anderen Bildungszentren oder in Hotels organisiert werden. Eine Tagungsstätte nach unseren Bedürfnissen gibt es aber nur in Sasel und Starnberg-Niederpöcking sowie am dritten Standort in Hattingen bei Düsseldorf. Die Alternativvorschläge des DGB-Bildungswerks lassen dagegen auf eine gewisse Konzeptionslosigkeit schließen.
Warum wehren Sie sich gegen Hotels? Das nötige Wissen kann doch in allen möglichen Räumlichkeiten vermittelt werden …
Was dort fehlen würde, ist besonders der Austausch unter Gewerkschaftern gerade über die Grenzen der Einzelgewerkschaften hinweg. Uns würde ein geschützter Raum fehlen, wenn nebenan Verkaufsschulungen für Staubsauger oder Managerseminare stattfänden. Dort würde man als Betriebsrat auf dem Flur oder im Speisesaal nur belächelt. Wie sollen wir uns da vertrauensvoll unterhalten?
Neben der IG Metall als Eigentümerin der Bildungsstätte Niederpöcking hat sich jetzt auch der Vorstand der DGB-Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten (NGG) scharf gegen eine Schließung der Bildungseinrichtungen gewandt. Wie kam es dazu?
Die NGG vertritt das hauswirtschaftliche Personal in Hamburg und Starnberg. Sie kritisiert unter anderem, daß Renovierungen ausgeblieben seien. Dadurch sei der jetzige Modernisierungsbedarf erst entstanden. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sich in nächster Zeit noch weitere Einzelgewerkschaften positionieren.
Der Förderkreis Sasel liefert sich eine Auseinandersetzung mit dem DGB-Bildungswerk-Geschäftsführer Dieter Eich. Vereinsvorsitzende ist aber die stellvertretende DGB-Chefin Ingrid Sehrbrock. Warum greifen Sie die nicht an?
Wie in einem Unternehmen bereitet die operative Leitung für den Vorstand das Zahlenmaterial auf und beeinflußt so dessen Beschlüsse. Wir gehen davon aus, daß sich die Kollegin Sehrbrock auf die Angaben der Geschäftsführung verlassen hat. Deshalb klären wir nun über die tatsächliche Lage auf und werden eigene Zahlen vorlegen. Irgendwann muß der DGB ein Machtwort sprechen.
Der Kampf wird mit harten Bandagen ausgetragen. Sie sollen als Sprecher des Förderkreises Sasel bereits gemaßregelt worden sein.
Wegen eines Gastbeitrags auf unserem Internet-Blog hat mir das Bildungswerk durch eine Anwaltskanzlei mitgeteilt, ich sei an einer Bedrohung des Geschäftsführers Eich beteiligt. Das ist juristisch natürlich Unsinn, dennoch habe ich den Eintrag aus dem Netz nehmen müssen. Aufgrund dieses Vorwurfs hat das DGB-Bildungswerk dann angekündigt, mir künftig keine Honoraraufträge mehr für Seminare in Sasel zu erteilen.
Nicht nur auf Sie persönlich soll das Bildungswerk Druck ausgeübt haben, wie man hört.
Alle Honorarkräfte sollen jetzt schriftlich erklären, sich weder beim Förderkreis noch anderswo öffentlich zum Schließungsvorhaben zu äußern.
Interview: Mirko Knoche
Dieses Interview mit dem Sprecher des Förderkreises, Hans Mielke, veröffentlichte die in Berlin erscheinende Tageszeitung „Junge Welt“ in ihrer Printausgabe vom 20.11.2010.
Quelle: http://www.jungewelt.de/2010/11-20/022.php
Ich vermute, dass der wahre Grund für die Schließung darin liegt, dass der DGB 1 Mio. Euro einsparen muss. Die Gelegenheit ist günstig, also wird dem Bildungswerk die 1 Mio. gekürzt, die Pachtverträge laufen gerade aus, das ist bequemer, als einen Weg zu suchen, die finanzielle Situation zu verbessern, die wirklich katastrophal ist. Aber das liegt nicht allein an den Tagungshäusern, sondern daran, dass Bildung nun mal Geld kostet und Bildung in eigenen Häusern eben auch! 1 Mio. Zuschuss kosten die beiden Häuser im Jahr – alles klar?
Auch bin mir nicht so sicher, dass der BW-Vorstand sich über die Lage nicht informiert hatte und Dieter Eich nur ein „Bauernopfer“ spielt, da er ja eh bald in Rente geht.
Ich gebe dir Recht, das eigentliche Problem ist der DGB selbst, der sich ja jetzt zurückhält, aber dem BW den Zuschuss kürzen will. Der DGB selbst muss hier wirklich mal Farbe bekennen. Die Gelegenheit, das auf dem Gewerkschaftstag im Mai zu klären, wurde ja nicht genutzt – deshalb nur Öffentlichkeit und Unterstützung durch die Einzelgewerkschaften kann den Druck machen, der zur Umkehr führen kann.
Liebe Marie,
ich habe als Beschäftigte im Detail eine etwas andere Sicht: Natürlich die Kürzung der Zuschüsse ist ein großes Problem. Andererseits: der BRQ-Bereich der Betriebsräte Qualifizierung erwirtschaftet große Überschüsse. Wenn man die Häuser von ihrem Inhalt trennt, dann in der Tat kommt eine negative Bilanz für letztere heraus.
Außerdem: Für Hamburg, für das inhaltliche Profil dieser Bildungsstätte, hat die GF des DGB Bildungswerks noch nie etwas getan. Alles was dieses Haus ausmacht, auch sein besonders gutes Ansehen, ist ausschließlich der Arbeit der dort Beschäftigten zuzuschreiben: den Kolleginnen und Kollegen in Hauswirtschaft und Küche, den TeamerInnen und ReferentInnen, den Kolleginnen in der Verwaltung und auch in den Seminarleitungen.
Wenn Geld vorhanden war, wurde dies nicht selten für unsinnige Prestigeprojekte durch die Geschäftsführung veruntreut. Ohne dass diese Projekte jemals zu einer Stabilisierung des Bildungswerks beitrugen.
Außerdem gibt es vielfältige Ideen die Häuser auch durch Drittnutzer, durch die Einzelgewerkschaften, aber auch durch andere noch besser auszulasten. Will sagen: wir dürfen uns unter keinen Umständen einreden lassen, dass die Schließungspläne in erster Linie ökonomische Gründe hätten. Es hat wohl eher inhaltliche Gründe, die man aber nicht offen kommuniziert. Und der „Sensemann“, der zuschlägt und ausführt, dass ist Dieter Eich. Mit ihm hat das Bildungswerk keine Zukunft. Weder in Hamburg, noch in Hattingen, Starnberg oder Düsseldorf!
Freundliche Grüße aus Hamburg!