GBR Info 10/2011 vom 1. Juli 2011

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

dass nach dem Ende von Interessenausgleichsverhandlungen, die zu keiner Einigung geführt haben,unterschiedliche Darstellungen der sich gegenüberstehenden Parteien (Geschäftsführung und Gesamtbetriebsrat) abgegeben werden, wird niemanden überraschen. Man sollte sich daher auch eine inflationäre Gegendarstellerei schenken. Wenn aber die Darstellung einer der beiden Seiten nur noch als „Nachtreten“ daherkommt, ansonsten grob wahrheitswidrig ist und nur mehr die Absicht verfolgt, die Verantwortung für zurückliegende und kommende Probleme auf die Gegenpartei abzuwälzen, dann wird die Richtigstellung zur Pflicht. Das ist der Grund, weshalb der Gesamtbetriebsrat (GBR) erneut in den Rückspiegel schaut und auf die Information der Geschäftsführung (GF) vom 18.06. sowie ihrem Schreiben vom 22.06.2011 an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingeht.

Vorherrschend, obschon nicht widerspruchsfrei, tönt in beiden Schreiben der GF die Grundmelodie der Alternativlosigkeit. Ihre Position beschreibt sie als einzig möglichen Weg, „das drohende Defizit vom Bildungswerk abzuwenden“, „ zukunftsfähig zu bleiben“ und die „gesetzte Aufgabe der Betriebsrätequalifizierung und der politischen Bildung weiterhin zu erfüllen“. Wer sich schon in seiner Wortwahl derart aus dem Arsenal der Sachzwanglogik bedient, kann gar nicht anders, als „unüberbrückbare Gegensätze“ auszumachen und Kompromissmöglichkeiten zu verneinen. Die Starrheit dieses Blicks war in jeder Sekunde der Verhandlungen ebenso leicht zu bemerken wie zu erklären. Denn wo die Alternativlosigkeit als Marschroute festliegt, werden Begründungen zur Routine, Gegenentwürfe als nicht existent angesehen und das Vorgehen der Gegenseite in anderen als sachlich begründeten Motiven gesucht. Dazu einige Punkte, die sich auf Aussagen der beiden oben genannten Schreiben der Geschäftsführung beziehen.

1. Die GF spricht nicht zum ersten Mal von einem „Defizit“ des Bildungswerks (BW), das bei Aufrechterhaltung der beiden Tagungszentren Hamburg-Sasel und Starnberger See drohe. Sie hat dieses Szenario vielmehr von Anfang als drohende Kulisse aufgebaut. Doch dauernde Wiederholung ist kein Beleg für die Richtigkeit der Behauptung. Seine Zweifel hat der GBR mehrfach – schriftlich und mündlich und unter Zugrundelegung der Jahresabschlüsse und eines Wirtschaftsgutachtens – vorgetragen und begründet. Nachdem die GF sich davon zu keinem Zeitpunkt hat beeindrucken lassen, wäre es vermessen gewesen zu erwarten, dass sie in ihrer jetzigen Nachbetrachtung den von ihr behaupteten Finanznotstand relativiert. Doch gehört zu einer halbwegs sachgemäßen Aufklärung der Beschäftigten, die Fakten und Annahmen plausibel darzustellen, die vor dem Hintergrund der derzeitigen Einnahmen-, Ausgaben-; und Vermögenssituation die düstere Prognose für ein BW mit drei Tagungszentren rechtfertigen.
 
2. Wir überlassen es den Beschäftigten, die Aussage der GF zu bewerten, der GBR habe „keine Alternativen bereitgestellt“. Jede und jeder wird sich an unser Verhandlungsangebot auf der Basis eines umfangreichen Positionspapiers des GBR erinnern. Darüber ist im Detail nie gesprochen worden. Dass die GF nunmehr für ihre Position das Etikett „strukturelle Erneuerung“ einseitig reklamiert, ist deshalb ein Witz. Denn gegenüber einer Position, die nur noch ein „Licht aus und Tür zu“ kannte und erst am 16.06.2011 mit einem Konzept zur Weiterführung der Seminare für Hamburg im Besenbinderhof unterlegt wurde, bot das Positionspapier vielfältige Ansatzpunkte für eine wirkliche Debatte zur strukturellen Erneuerung.
 
3. Nicht sie selbst, meint die GF, sondern der GBR habe starrsinnig und konzeptionslos agiert. Dieser habe für den Erhalt der Häuser „um jeden Preis“ gekämpft. Zu dieser Formulierung wünschte man sich Genaueres zu erfahren. Wie auch immer – es ist richtig, dass der GBR in eigenen Tagungszentren einen für die Akzeptanz bei unseren Zielgruppen essentiellen Wettbewerbsvorteil sieht. Ja, es ist richtig, dass wir mit der Preisgabe eigener Häuser die Bindungswirkung unserer Angebote in Gefahr und Entwicklungspotenziale des DGB Bildungswerks geschwächt sehen. Richtig ist aber überdies auch, dass es der GBR war, der im Interesse einer Bestandssicherung des BRQ-ereichs und ggf. einer geordneten Häuserschließung einen Zeitkorridor bis 2014 vorgeschlagen hat. Im Rahmen dieses Vorschlags sollten strukturelle Änderungen zur Aufrechterhaltung der Qualität und des quantitativen Ausbaus des GB BRQ umgesetzt werden. Zu diesen Diskussionen ist es aber nicht mehr gekommen, da die GF zu keiner Zeit bereit war, über anderes als über die Schließung zum Ende des Jahres 2011 zu verhandeln.
 
4. Die Verdrehung von Tatsachen und die Absurdität der Behauptungen erreichen ihren Höhepunkt dort, wo die GF dem GBR vorwirft, „in den Verhandlungen sehr auf Zeit gespielt und die Verhandlungen extrem zeitlich verzögert“ zu haben. Wer die Auseinandersetzungen der letzten Monate auch nur mit einem Auge verfolgt hat, wird wissen, dass der GBR auf mancherlei Zumutungen der GF hat reagieren müssen. Es ist nicht der Platz, diese hier in allen Einzelheiten darzustellen. Im Ergebnis aber ist festzuhalten, dass die GF in ihrem von mangelnder Offenheit und Klarheit geprägten Vorgehen die zeitliche Streckung des Verfahrens selbst in hohem Maße zu verantworten hat.

Erinnern wir uns nur daran, dass die GF bereits im Juni 2010 mit den Betriebsräten Verhandlungen hätte aufnehmen können, nachdem der Beschluss am 31.05.2010 zur Schließung der Häuser durch den Vorstand gefasst worden war. Der GBR wie die Beschäftigten wurden allerdings erst im Oktober über die Beschlüsse informiert. Von dem Beschluss vom 31.05.2011 erhielten wir nur durch Zufall während der Sitzung mit Ingrid Sehrbrock am 03.12.2010 (!!) Kenntnis, schriftlich Anfang Januar 2011.

Auch wenn die GF weiterhin das Gegenteil behauptet: Es ist jederzeit belegbar, dass dem GBR lange Zeit gewünschte und gesetzlich erforderliche Verhandlungsunterlagen nur zögerlich, unvollständig und oft nicht nachvollziehbar bereitgestellt wurden. Nicht einmal bis zum ersten Termin am 11.02.2011 hatte die GF seit langem geforderte Unterlagen (u.a. das Gutachten von Korthäuer + Partner) vorgelegt. Gleichwohl gingen die Verhandlungen weiter. Beim nächsten Termin, ein Gespräch mit Ingrid Sehrbrock in Berlin, ging es um das Positionspapier des GBR. In weiteren Gesprächen standen Gegenstands- und Zuständigkeitsfragen auf der Tagesordnung: Sollte es „nur“ um die Schließung zweier Tagungszentren gehen, wie die GF meinte, oder stand entsprechend der Ansicht des GBR die Restrukturierung des Bildungswerks und die Einsparung von 1 Mio. Euro zur Debatte? – Nachdem uns dann endlich das Korthäuer-Gutachten vorlag, wurden unsere Vorschläge diskutiert und für nicht ausreichend diskutiert und für nicht ausreichend befunden. Dabei wurden uns immer wieder veränderte Szenarien ohne die Offenlegung der dahinter liegenden Annahmen präsentiert. Dass anstelle solcher eigens für die Verhandlungen fabrizierten Unterlagen die Jahresabschlüsse sowie das Korthäuer-Gutachten als Gesprächsgrundlage gelten sollten, konnten wir in der Einigungsstelle durchsetzen.

Sodann erklärte die GF die Verhandlungen für gescheitert, obwohl noch ein weiterer Termin vereinbart worden war. Die Einigungsstelle selbst wurde dann infolge einer Klage des GBR eingesetzt. Das Thema lautete, wie vom GBR gewollt: „Restrukturierung des Bildungswerks und Einsparung von 1 Mio. Euro.“ Die Einigungsstelle selbst tagte nur zweimal, nämlich am 30.05. und am 16./17.06. in Berlin. Weitere Termine hatten aus Sicht des Einigungsstellenvorsitzenden keinen Sinn. Der GBR hatte schweren Herzens den Minimalkonsens von Weiterführung um ein Jahr vorgeschlagen, der aber abgelehnt wurde. Wenn es hier Missverständnisse gab, wer, wann und warum abgelehnt hat, ist letztendlich nicht von Relevanz, das Ergebnis ist wichtig.
 

5. Die Verhandlungen hatten nur einen Interessenausgleich zum Thema, ein Sozialplan sollte erst nach dessen Abschluss verhandelt werden. Es entspricht dem BetrVG, dass zunächst einmal die Maßnahmen festgestellt werden müssen und dann ein entsprechender Nachteilsausgleich verhandelt werden soll. Deshalb sind die Vorwürfe der GF an den GBR nicht nur völlig verfehlt, sondern in ihrer Zielrichtung, die Betriebsräte für kommende Nachteile der Beschäftigten verantwortlich zu machen, schlichtweg unverschämt. Selbstverständlich werden wir jetzt nach Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen die Verhandlungen über Sozialpläne aufnehmen, hierzu hat der BR Hamburg die GF auch schon aufgefordert.
 
6. Der GF ist unverständlich, wie der GBR auf eine Anzahl von 56 Mitarbeitern kommt, die von der Kündigung betroffen sind. Es sollen nur 41 sein. Diese Zahl bedarf ihrerseits der Erklärung, denn mit Schreiben vom 10.06.2011 teilte uns die GF mit, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter welcher Berufsgruppen betroffen sind.
Demnach sind es in Hamburg:
Speisenbereiter 12
Administrativ entscheidende Berufstätige 1
Bürofach‐ und Bürohilfskräfte 4
Lehrer 2
Gästebetreuer 1
Hauswirtschaftsberufe.. 7
in Pöcking:
Speisenbereiter 10
Administrativ entscheidende Berufstätige 1
Bürofach‐ und Bürohilfskräfte.. 7
Gästebetreuer 3
Hauswirtschaftsberufe.. 8
 

Rechnet selbst nach. Wir jedenfalls kommen immer wieder auf 56.

Ingrid Gohr-Anders
Gesamtbetriebsratsvorsitzende DGB Bildungswerk e.V. BUND