Redaktionelle Anmerkung: In diesem Beitrag haben wir verschiedene Beiträge zusammen gefasst, die sich – in der Fortführung der Diskussion – auf einen Beitrag von Martin Lesch vom 10. Juli 2011 beziehen.

Kommentar von Marie (Pseudonym eines/r Beschäftigten des DGB Bildungswerks) vom 11. Juli 2011

Lieber Martin,

du hast ja gut reden. Leider gibt es in dieser Republik nicht so ohne weiteres das Recht zu streiken. Das weißt du ganz genau, deshalb ist deine Polemik nicht angebracht. Dein Verein hat keine Anerkennung als Gewerkschaft und kann deshalb auch nichts tun.

Die Betriebsräte haben gekämpft, aber zu einem wilden Streik können sie die Beschäftigten nicht auffordern! Das wäre nicht rechtens und könnte für die Beschäftigten und auch die Betriebsräte zu erheblichen Folgen bis zur fristlosen Kündigung führen. Und so wie der Geschäftsführer drauf ist, könnte das ohne weiteres passieren.

Antwort auf diesen Kommentar von Martin Lesch. Bei uns ebenfalls am 11. Juli eingereicht

Liebe „Marie“,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

da wurdet ihr offensichtlich (von wem eigentlich und mit welchem Interesse?) gründlich falsch informiert. Am 17.2.1998 erklärte das Bundesarbeitsgericht (BAG) zum VGB:
„Die Betätigung des klagenden Verbandes ist als Ausübung der Koalitionsfreiheit grundrechtlich geschützt, und zwar auch insoweit, als Tarifverträge mit den Gewerkschaften angestrebt und notfalls durch Arbeitskampfmaßnahmen durchgesetzt werden sollen. Eigene Grundrechtspositionen der beklagten Gewerkschaft stehen dem nicht prinzipiell entgegen. Sie kann sich vielmehr auch dann, wenn ihre Beschäftigten beim Kläger organisiert sind, wirksam als Gewerkschaft betätigen und der Arbeitgeberseite entgegentreten. Allerdings bestehen für ihre Arbeitnehmer besondere Loyalitätspflichten, die weiter gehen als Rücksichtspflichten anderer Arbeitnehmer. Das schränkt auch die Handlungsmöglichkeiten des Verbandes ein, beispielsweise bei der Ausübung des Streikrechts. Wo die Grenzen im einzelnen verlaufen, war vorliegend nicht zu entscheiden.“

Der VGB ist zum Streik als ultima ratio im Tarifkonflikt mit Gewerkschaftsarbeitern also durchaus berechtigt und auch prinzipiell bereit. Aber unsere hohe Achtung des Streikrechts für die n i c h t bei Gewerkschaften und deren Unternehmen Beschäftigten veranlasst uns, niemals Beschäftigte jener Gewerkschafts-Gliederungen zum Streik aufzurufen, die selber akut in Streikaktionen involviert sind. In DGB-Bildungsstätten wurden und werden nach meiner Kenntnis jedoch keine akuten Streikaktionen für die Mitglieder der DGB-Einzelgewerkschaften durchgeführt, so dass dort die o.g. Rücksichtnahme entbehrlich ist.

In einer anderen BAG-Entscheidung vom 19.9.2006 ging es darum, ob der VGB als zwar tarif w i l l i g e , aber (mangels bis dahin durchgesetztem Tarifvertrag) noch nicht tarif f ä h i g e Koalition im Hinblick auf die Teilnahme an Betriebsversammlungen die gleichen Rechte wie eine Gewerkschaft nach dem BetrVG hat. Es ging also in dieser Entscheidung nicht um das vom BAG dem VGB seit 1998 zugesprochene Recht, in Gewerkschaftsbetrieben zu Arbeitskampfmaßnahmen aufzurufen und durchzuführen.

Wer das durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte und vom BAG dem VGB ausdrücklich auch in Gewerkschaftsbetrieben zugesprochene Streikrecht mit dem Recht auf Teilnahme an Betriebsversammlungen emäß § 46 BetrVG durcheinanderbringt, sollte sich mal, z.B. in Sasel, gründlich zu diesem Thema ausbilden lassen. Wenn derartige Falschinformationen allerdings von Leuten, die es qua Ausbildung und gewerkschaftlicher Funktion besser wissen, in Umlauf gebracht werden, stellt sich die altbewährte Frage der ArbeiterInnenbewegung: „Wem nützt es ?“