[taz nord vom 17.11.2010] |
Verstoß gegen die eigenen Grundsätze
Die Betriebsräte sind diejenigen, die neue Mitglieder werben könnten
Es ist schon ein Armutszeugnis, wie der DGB zurzeit mit dem Bildungsbereich für Betriebsräte verfährt. Sicher: Es mag Sachzwänge geben. Die Gewerkschaften haben einen Mitgliederrückgang und damit auch schwindende Einnahmen zu verzeichnen und müssen sparen. Doch gerade dann ist es politisch das falsche Signal, wenn die Betriebsratsqualifizierung gekillt und die Belegschaftsvertreter im Norden zu anderen Trägern getrieben werden. Sind doch gerade die Betriebsräte diejenigen, die neue Mitglieder werben könnten.
Aber noch fataler ist das Procedere. Da wird der Betriebsrat der Tagungsstätte Hamburg-Sasel nicht in Entscheidungsprozesse eingebunden, wie es eigentlich gewerkschaftlicher Anspruch sein sollte, und vor vollendete Tatsachen gestellt. Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte werden ausgehebelt, als wäre das, was in Hamburg-Sasel gelehrt wird, eigentlich Schall und Rauch.
Redaktionelle Anmerkung:
Dieser Kommentar von taz-Redakteur Kai von Appen wurde in der heutigen Printausgabe der taz-nord veröffentlicht. Um auch den langen Hauptarktikel aus der Zeitung zu lesen, der heute erschien, klicke auf das folgende Zeichen:
[taz nord vom 17.11.2010] |
Maulkorb für Referenten
Sparprogramm beim DGB-Bildungswerk
Das Bildungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes will Dozenten disziplinieren, die gegen die Schließung des Standorts Hamburg-Sasel protestiert hatten. Die IG Metall stellt sich auf die Seite der Kritiker. VON KAI VON APPEN
Der Konflikt um die Schließung der DGB-Bundesschulen in Hamburg-Sasel und dem bayrischen Niederpöcking-Starnberg nimmt an Schärfe zu. Mittlerweile ist dem Verantwortlichen der Homepage des „Förderkreises Sasel“, Hans Mielke, Unterrichtsverbot erteilt worden. |
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Die Teamer und Referenten, die allesamt auf Honorarbasis arbeiten, müssen sich ab sofort in einer Erklärung verpflichten, sich vom „Förderkreis Sasel“ zu distanzieren und nicht für den Erhalt der Tagungsstätte einzusetzen.
Auch die Frankfurter IG Metall-Zentrale hat sich eingeschaltet – und dem Geschäftsführer des DGB-Bildungswerks, Dieter Eich, vorgeworfen „teilweise falsche Behauptungen aufgestellt“ zu haben, „die die Ereignisse auf den Kopf stellen“, so IG Metall-Vorstandsmitglied Bertin Eichler. Das sei IG Metall-Position. „Ich hab mich dazu verhalten“, sagt Bildungswerks-Geschäftsführer Eich zur taz.
Das DGB-Bildungswerk (BW) hatte am 10. Oktober bekannt gegeben, die beiden Bildungsstätten zu schließen. Begründet wurde diese Maßnahme mit fehlenden finanziellen Mitteln, weil die Pachtforderungen bei neu abzuschließenden Verträgen steigen und allein in Sasel Investitionen von 2,1 Millionen Euro notwendig würden. Der Förderkreis, der aus Betriebsräten und Arbeitsrechts-Dozenten besteht, läuft gegen die Pläne Sturm und hatte unter anderem der BW-Geschäftsführung vorgeworfen, die Betriebsräte nicht ausreichend informiert zu haben, was Eich in der taz bestritten hat. „Dass eine Information des Betriebsrats zur Schließung von Tagungsstätten mehr als nur Information notwendig macht, sagt der Paragraf 111 Betriebsverfassungsgesetz klar aus, aber das will der Geschäftsführer überhaupt nicht anerkennen und schon gar nicht einsehen“, wird Eich entgegengehalten.
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Die Diskussion im Internet um die bundesweit renommierteste Tagungsstätte für Betriebsratsqualifizierung empfinde er zum Teil als „rechtswidrige Bedrohung und eine Nötigung“, schreibt Eich an Mielke, der seit zehn Jahren als Referent und Seminarassistent in Sasel tätig war. Die Förderkreis-Homepage sei „nicht nur persönlich beleidigend, sondern schadet nach wie vor dem DGB-Bildungswerk als Institution, indem sie Fakten zur Schließung von Tagungszentren des DGB Bildungswerks einseitig verzerrt wiedergibt“, schreibt Eich. Mielkes Wirken führe dazu, dass sich SeminarteilnehmerInnen vom BW abwenden und verunsichert fühlen. „Das DGB Bildungswerk sieht sich daher veranlasst, Sie ab sofort und bis auf Weiteres nicht mehr als Honorarkraft in seinen Seminaren einzusetzen“, so Eich.
Die BW-Geschäftsführung hat an alle Referenten Verpflichtungserklärungen verschickt, auf Anfragen von Seminarteilnehmern zur Schließung zu antworten, „dass das BW Anzahl und Themen der Betriebsräte-Seminare in vollem Umfang fortführt“. Der Gesamtbetriebsrat verurteilte am Dienstag den „Bekenntniszwang“ als nicht akzeptabel: „Er produziert und vertieft Vertrauensrisse zwischen freiberuflichen Beschäftigten und festangestelltem Personal.“ Darüber hinaus lasse er „Meinungsfreiheit zur Loyalitätspflicht, die engagierte Überzeugung zum hohlen Zwang verkommen.“ Die Betriebsräte empfehlen den Mitarbeitern, die Erklärung nicht zu unterschrieben. |
Der Anwalt des Sasel-Betriebsrats und des BW-Gesamt-Betriebsrats, Jens Gäbert, wirft Geschäftsführer Eich vor, „von vorne bis hinten gelogen zu haben“. So sei nicht nur in Niederpöcking nie eine Pachterhöhung im Gespräch gewesen – die IG Metall Immobiliengesellschaft Igemet wollte dem BW sogar für ein Jahr die Miete für das Gebäude erlassen. Auch in Sasel sei eine Pachtanhebung kein Thema gewesen. „Das ist uns vom Eigentümer mündlich versichert worden“, sagt die Betriebsratsvorsitzende Bettina Saß. Saß plädiert dafür, das Geld, das der DGB für einen Sozialplan für die 40 Festangestellten aus dem Bereich Küche und Hotel ausgeben müsste, lieber in die Sanierung des Tagungshauses zu stecken – und in die Sicherung der Betriebsratsqualifizierung.